Online-Nomaden

Ein Morgen wie kein anderer

Manchmal beginnt alles mit einer einfachen Frage an der Haustür. Ein skeptischer Blick, ein schiefes Grinsen – und plötzlich nimmt der Tag eine Wendung, mit der niemand rechnen konnte. In einer WG, die eigentlich kaum Platz für Überraschungen lässt, bricht etwas Unerwartetes über den Alltag herein. Es beginnt harmlos, fast banal, doch schon bald wird klar: In dieser Wohnung ist nichts so gewöhnlich, wie es scheint. Und manchmal ist selbst Gemüse nicht einfach nur Gemüse.

„Und so willst du aus dem Haus gehen?“ Jack steht neben der Haustüre, er mustert mich kritisch. Fast bereue ich es, ihm ein Skateboard zur Fortbewegung gegeben zu haben, doch wie immer wird das von dem Gedanken unterbunden, dass er so wenigstens ein bisschen selbstständig ist und ich mich nicht allzu sehr um ihn kümmern muss.

„Ja, will ich. Was passt nicht?“ Ich mustere mich unauffällig im Garderobenspiegel. Eigentlich bin ich schon aufbruchsbereit und habe mein Aussehen schon oft genug im Spiegel überprüft, deshalb will ich Jack nicht die Genugtuung geben, dass ich wegen ihm ein weiteres Mal mein Outfit überprüfe. Gibt eigentlich nichts zu bemängeln. Gut, ich habe meine besseren Klamotten herausgesucht, habe etwas mehr Zeit vor dem Kleiderschrank und vor dem Spiegel verbracht und das sieht man auch, aber sonst weiß ich nicht, was mein Mitbewohner meinen könnte.

„Bist so schick angezogen. Hast du ein Date?“ Entnervt verdrehe ich die Augen, dann schiebe ich mit dem Fuß sein Skateboard beiseite. Seine Proteste sowie seine Schläge ignoriere ich dabei. Hauptsache, die Türe wird frei und ich kann gehen.

„Nein. Ich treffe mich mit ein paar Freunden.“ Jack stellt seine Proteste ein. Nun wackelt er vielsagend mit den Augenbrauen.

„Ist da jemand dabei, den du dir angeln willst?“ Eigentlich ist die Türe schon frei. Trotzdem trete ich noch einmal gegen das Skateboard und Jack rollt weiter in die Wohnung hinein. Wieder geht das Gezetere los.

„Nein! Das sind einfach nur Freunde!“ Jetzt aber weg hier. Ich schnappe mir meine Tasche, öffne die Haustüre und gehe hinaus. Als ich die Türe schließe, höre ich Jack noch einmal.

„Kann ich mit?“

„Nein! Und das weißt du ganz genau.“ Ein letztes Grummeln, bevor die Türe sämtlichen Protest schluckt.

Endlich frei! Aber wie kam es eigentlich zu dieser skurrilen Männer-WG? Nun, das ist eine ebenso skurrile Geschichte.

Morgen ist Halloween. Und ich bin perfekt vorbereitet. Etwas spät – bis zum 31. Oktober ist es nur noch eine Stunde –, aber ich bin fertig. Ich habe nicht etwa Süßigkeiten für das alljährliche Trick and Treat gekauft. Am Halloweenabend bleiben meine Lichter aus und langsam haben die Racker kapiert, dass ich an diesem Tag nie da bin.

Nein, meine Halloweenvorbereitungen beschränken sich auf einen Kürbis und der steht vor mir. Auf einem Haufen liegen seine Kerne und anderer Abfall, in einem Topf habe ich die brauchbaren Kürbisstücke gesammelt und in der Mitte des Tisches ruht der Rest – ein ausgehöhlter Kürbis mit hineingeschnitztem Gesicht.

„Gut siehst du aus.“ Ich wohne wohl schon viel zu lange alleine, wenn ich jetzt schon mit einem Kürbis spreche. Aber verdammt, es stimmt – er sieht richtig gut aus. Ich habe nicht etwa ganz plump ein paar Löcher geschnitten. Die Löcher sind verschieden tief, nur wenige gehen komplett durch und dank dem Licht der batteriebetriebenen Kerze, die ich hineingestellt habe, wirkt er echt gut. Ein Meisterwerk.

Man sieht, dass das mein jährliches Ritual ist – ich werde allmählich zu einem Kürbis-Schnitzmeister. Dieser Kürbis kommt mir nicht vor die Türe. Alleine für die Nachbarn gebe ich mir nicht so viel Mühe. Nein, das ist mein Kürbis, meiner alleine. Sollen sich die Nachbarn halt ihre eigenen Kürbisse schnitzen. Okay, das tun sie. Die sehen allerdings nicht ansatzweise so gut aus wie meine.

Zufrieden stehe ich auf. Den Abfall werfe ich in den Mülleimer, der Topf kommt auf den Herd und ein Deckel darauf. Morgen gibt es Kürbissuppe. Der geschnitzte Kürbis bleibt auf dem Tisch stehen, inklusive brennender Kerze. Gibt eine schöne Deko für morgen Früh.

Dann mache ich mich auf den Weg ins Bett. Ist höchste Zeit – ich muss morgen früh raus und zur Arbeit.

Der Wecker klingelt natürlich viel zu früh. Also, gefühlt zumindest. Ich muss tatsächlich zu dieser unmenschlichen Uhrzeit aufstehen. Mit fast geschlossenen Augen schlurfe ich ins Bad, mache mich dort fertig, dann schlurfe ich weiter in die Küche. Kaffee, ich brauche Kaffee. Am besten intravenös, zwei Liter, schwarz. Okay, schwarz nicht unbedingt, das schmeckt mir nicht. Aber stark, bitte.

Mein erster Weg führt mich also zum Kaffeebereiter. Ich gebe etwas Kaffee hinein, gieße ihn mit Wasser auf und lasse ihn erst mal ziehen. Als nächstes ist der Kühlschrank dran. Ich öffne die Türe, mustere den Inhalt. Sieht nicht gut aus da drinnen. Ich sollte heute nach der Arbeit unbedingt einkaufen. Bisschen Wurst, bisschen Fleisch… Würde meine Mutter meinen Kühlschrankinhalt sehen, würde sie ja eher Gemüse und Obst auf die Einkaufsliste setzen, nachdem sie mir eine Gardinenpredigt zum Thema Vitamine und ausgewogene Ernährung gehalten hätte.

Aber sie sieht meinen Kühlschrank zum Glück nicht und für mich ist der Vitaminanteil völlig ausreichend. Salami, für heute muss es Salami tun. Kein Problem, ich mag Salami, sonst hätte sie auch nicht den Weg in meinen Kühlschrank gefunden. Ich greife also nach der Wurst und –

„Ey.“

Ich erstarre, die Hand kurz vor der Salami. Was war das? Wer oder was spricht hier? Ich wohne alleine hier, in dieser Wohnung ist niemand außer mir. Auf Radio verzichte ich grundsätzlich, mein Handy liegt noch im Schlafzimmer und ist eh auf lautlos gestellt.

„Ey, du.“ Ganz langsam drehe ich mich um, dabei schweift mein Blick durch die Küche. Alles ist wie immer, alles steht dort, wo es sein soll. Der Kaffeebereiter dampft vor sich hin, auf dem Herd steht der Topf mit den Kürbisstücken und auf dem Tisch ist der Kürbis, den ich gestern Abend geschnitzt habe. Alles wie immer.

Okay, ich bin wohl noch nicht ganz wach. Also, jetzt, nach diesem Schreck, schon, aber gerade eben… Ich muss mir das eingebildet haben. Jetzt nehme ich endlich meine Salami, gieße mir eine Tasse Kaffee ein und gönne mir meine Henkersmahlzeit, bevor es zur Arbeit geht.

Gedacht, getan. Ich drehe mich wieder zum Kühlschrank um und will die Salami greifen. Doch dann erstarre ich wieder. Denn plötzlich fällt mir etwas ein, was gestern anders war als jetzt. Der Kürbis. Sein Gesicht zeigte in die Richtung meines Stuhles, weil ich ihn nach dem Schnitzen einfach stehen gelassen habe. Jetzt hat er in meine Richtung, also Richtung Kühlschrank geschaut.

Meine Hände zittern, als ich mich wieder umdrehe.

„Na endlich.“

Tatsächlich. Der Kürbis sieht mich an. Er sieht mich wirklich an. Es ist nicht nur so, dass er mit dem Gesicht zu mir steht – er sieht mich an. Sein Grinsen ist breiter als ich es geschnitzt habe und… Sein Mund hat sich gerade eben eindeutig bewegt. Er hat gesprochen.

„Was machst du hier?“ Ich bin so überrumpelt, dass ich dem Kürbis einfach die erste Frage, die mir durch den Kopf schießt, an dem Kopf werfe.

Wieder grinst er. Seine Augenbrauen wandern ein bisschen in die Mitte – verdammt, er ist wirklich detailgetreu und im Moment ärgere ich mich darüber, dass ich ihm so viele Details verpasst habe. Ich glaube, ein Kürbis mit komischem Mund und einfachen Augen wäre nicht so beängstigend gewesen. Vielleicht wäre so ein Kürbis auch gar nicht erst zum Leben erwacht.

„Warten. Ich habe Hunger, aber du schaffst es ja nicht, den Tisch zu decken.“

Jetzt schaffe ich es endlich, die Salami aus dem Kühlschrank zu nehmen – hauptsächlich tue ich das, um endlich die Türe schließen zu können. Dann lehne ich mich daneben.

„Warum… Warum lebst du?“ Nun verzieht der Kürbis den Mund. Soll wohl ein Äquivalent zum Schulterzucken sein – Schultern hat er ja keine. Da war meine Kreativität zum Glück aufgebraucht.

„Keine Ahnung. Musst du wissen, ich bin ja in deiner Küche. Ich war plötzlich da.“ Das klingt echt überzeugend.

Und plötzlich… nehme ich das einfach so hin. Ich habe einen Kürbiskopf auf dem Küchentisch – okay. Er spricht – auch okay. Er will mich nicht umbringen, kann das ja auch schlecht, und obwohl er echt komisch ist, scheint er trotzdem irgendwie in Ordnung zu sein.

Ich mache also weiter wie geplant und wie sonst auch. Nehme mir etwas Brot, einen Teller und Besteck, das kommt auf den Tisch, dann hole ich mir eine wohlverdiente Tasse Kaffee.

„Du auch?“

„Kannste Kaffee kochen?“

„Klar.“

„Schmeckt er auch?“
„Klar.“
„Dann ja.“

Eine zweite Tasse Kaffee folgt. Damit lasse ich mich am Tisch nieder – den Kürbis schiebe ich ein bisschen nach hinten, damit ich vor mir Platz für meinen Teller habe.
„Ey, vorsichtig!“
„Ja, ja.“

Und so beginnt mein erstes Frühstück mit Kürbis.

Auf dem Heimweg lasse ich noch mal den Morgen Revue passieren. Ist das wirklich passiert? Ich war mir ja echt sicher, dass ich wach und bei vollem Bewusstsein war, aber im Laufe des Tages verschwand diese Sicherheit. Klar, ich habe gefrühstückt, doch war da wirklich ein Kürbis dabei? Ein sprechender Kürbis? Kann doch nicht sein. Andererseits wage ich es auch nicht, meine Wahrnehmung so sehr in Frage zu stellen. Nicht mal im größten Suff hatte ich solche Wahnvorstellungen und heute Früh war ich nüchtern.

Ich bin also auf alles vorbereitet, als ich meine Wohnung betrete. Und ich bin auch nicht überrascht, als ich in der Küche von einem „Na, wie war dein Tag, Schatz? Ach, lass stecken – was gibt´s zum Abendessen?“ begrüßt werde.
„Kürbissuppe.“
„Haha, na klar. Lass den Scheiß. Was gibt es wirklich?“

Oh, Fettnäpfchen. Natürlich möchte der Kopf auf meinem Tisch nicht seine Innereien essen. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder entsorge ich diesen Schwätzer auf dem Kompost unten im Hof und mache mir meine Kürbissuppe oder ich finde mich damit ab, dass ich einen orangenen, merkwürdigen Mitbewohner habe und nehme dementsprechend Rücksicht auf ihn.

Ich mustere das Gemüse. Ein bisschen Ähnlichkeit zu meinem Schnitzwerk ist noch erkennbar, trotzdem sieht er anders aus. Lebendiger, einfach. Die Gesichtszüge bewegen sich, haben sich passender verzogen.
„Sind Spaghetti in Ordnung?“
„Ja, passt. Außer du machst Kürbissauce dazu.“

Wir grinsen uns an und ich habe das Gefühl, wir werden uns echt verstehen. So gut, wie man sich halt mit einem Mitbewohner versteht.
„Neee. Ich dachte an Tomatensauce.“

Als ich von dem Treffen mit meinen Freunden nach Hause komme, liegt Jack schnarchend auf der Couch. Vor ihm auf dem Couchtisch aufgereiht steht der Rest unseres Bierflaschenvorrates – alle leer. Vorsichtshalber überprüfe ich jede auf ihren Deckel, aber vergeblich. Jack war konsequent.
„Nicht dein Ernst.“
Kurz stoppt das Schnarchen.
„Doch. Selbst schuld.“

Dann ist das Schnarchen noch lauter und ich bin echt froh, dass zwischen Wohnzimmer und meinem Schlafzimmer eine Türe ist, die zumindest einen Großteil des Schnarchens schlucken sollte.

Das Zusammenleben mit einem Kürbiskopf ist echt schwierig. Aber im Grunde ist es wie bei jeder anderen WG auch: Man liegt sich ständig in den Haaren und trotzdem kann man nicht ohne einander. Darf das olle Gemüse nur nicht erfahren, dass ich inzwischen fast so abhängig von ihm bin wie er von mir.

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Wenn es draußen lauter wird

Manchmal verbergen sich hinter scheinbar harmlosen Alltagsmomenten dunkle Spannungen – wie im geheimnisvollen Duell zwischen Ernie, der listigen Katze, und Bert, dem ungestümen Hund. Ihre unausgesprochenen Konflikte wirken wie Schatten, die das Haus durchziehen, während draußen die Halloween-Nacht heranrückt und die Grenze zwischen Freund und Feind verschwimmt. In diesem stillen Ringen offenbaren sich Geheimnisse von Macht, Angst und Verbundenheit – und die Frage, wer im Schatten wirklich die Oberhand gewinnt.

Ernie wird von einem dumpfen Knall aus seinem Nickerchen geweckt. Als er den Kopf hebt, sieht er, wie sich Bert gerade aufrappelt und weiter herumhüpft. Scheinbar ist der Idiot gerade vor lauter Aufregung gegen die Fensterscheibe oder den Türrahmen der Balkontüre geknallt.

„Scheiße, Ernie, sie sind da!“

Mit einem Gähnen streckt sich Ernie. Natürlich achtet er darauf, dass er dabei seine Krallen ausfährt und dass man das auch sieht. Man, das ist in diesem Fall Bert. Er hat eine Heidenangst vor Ernies Krallen und da reicht es schon, wenn er sie ein kleines bisschen ausfährt, damit der dumme Hund durchdreht.

Ja, ein Hund. Bert ist ein Hund, ein Golden Retriever oder so etwas, so gut kennt Ernie sich da nicht aus. Ein gelber, blonder Hund, wie auch immer. Einer, der den Namen Bert verdient hat, dachten sich ihre Herrchen. So wie sie der Meinung waren, ihre zugegebenermaßen etwas rundliche Katze Ernie nennen zu müssen. Weil sie ja so ein wundervolles Duo sind. Na klar.

„Gegenseitiges Respektieren“ trifft es eher und selbst das ist schon sehr optimistisch ausgedrückt. Ernie respektiert, dass Bert ein paar Nummern größer ist als er, Bert respektiert, dass Ernie sich wehren kann, wenn es nötig ist.

Die Geste hat die gewünschte Wirkung. Bert zuckt zusammen, er unterbricht sein Gehüpfe kurz. Doch dann hört man von draußen das Geräusch einer Autotüre und er nimmt sein Tänzchen wieder auf. Okay, der Hund ist völlig von der Rolle. Dann ist es an der Zeit, dass Ernie sich das unter die Lupe nimmt, was seinen großen Mitbewohner so aus der Ruhe bringt.

Ganz langsam steht er auf und stakst zu Bert hinüber, dessen Blick nervös zwischen Garten und Ernie hin und her huscht. So gelassen wie Ernie tut, ist er bei Weitem nicht. Schließlich weiß auch er, was heute ansteht.

Halloween.

Es ist der 31. Oktober und ihr Haus steht kurz davor, von kleinen Rabauken geflutet zu werden. Jedes Jahr das Gleiche und je größer der Große wird, desto schlimmer werden seine Halloweenfeiern. Und die Kleine macht halt das, was der Große früher gemacht hat.

Bei Bert angekommen, hüpft Ernie auf die Fensterbank. Dort hat er seine Kuscheldecke, dort ist es gemütlich. Hier oben fühlt er sich wie ein König. Zumindest so lange, bis er nach einigem Herumtapsen einen bequemen Platz gefunden hat und von dort aus nach draußen blickt.

Ein bisschen versteht er Berts Panik. Okay, zugegebenermaßen versteht er sie ziemlich gut – nur seine Reaktion halt nicht.

Von seinem Platz aus hat er einen wunderbaren Ausblick auf den Garten. Er sieht das Stück Rasen, auf dem die Kinder immer mit Bert spielen, er sieht den knorrigen Apfelbaum, auf den Ernie im Sommer gerne klettert. Das ist schön.

Nicht schön ist, was gerade dort zu sehen ist.

Auf dem Rasen tummelt sich eine Horde Steppkes und jeder von ihnen ist verkleidet. Im Moment vergleichen sie noch ihre Kostüme miteinander, aber Ernie weiß genau, dass das bald vorbei ist und dass dann die Katastrophe so richtig los geht. Wenn sie das Haus fluten… Seine Krallen bohren sich in die Decke.

„Ernie, was tun wir?“ Ein Winseln reißt ihn aus seiner Angst. Neben der Fensterbank, auf seinem Platz vor der Balkontüre, sitzt Bert und sieht ihn flehend an. Wieder einmal stellt Ernie fest, dass es nur so lange gut ist, als der Intelligentere anerkannt zu werden, solange Bert das aus der Ferne bewundert.

„Ruhe bewahren, Soldat.“

Es hilft. Bert setzt sich sofort ganz aufrecht hin und Ernie ist sich sicher, dass er salutieren würde, wenn er dabei nicht auf die Schnauze fliegen würde. So dumm, dieser Hund, so dumm. Er kapiert nicht, dass die Anrede ‚Soldat‘ ein Witz ist und fühlt sich davon geehrt.

Doch dann verschwindet Ernies Hohn und Spott auf einen Schlag. Denn dann hören sie beide ein unheilversprechendes Knacksen.

Die Haustüre.

Normalerweise ist das kein schlechtes Knacksen. Entweder bedeutet es, dass jemand zurück nach Hause kommt – was wiederum Essen bedeutet – oder dass alle das Haus verlassen und sie alleine sind.

Heute ist es ein schlechtes Knacksen.

Heute bedeutet es nämlich nichts von beidem. Heute bedeutet es, dass die Invasion der Kinder beginnt.

Ernie macht intuitiv einen Buckel, er faucht. Bert jault wieder. Dann beschließt Ernie, bei der Militärsprache zu bleiben.

„Rückzug!“

Bert gehorcht sofort. Er rennt los, gerät dabei ins Schlittern und rutscht fast auf dem glatten Holzboden aus. Ausnahmsweise kann Ernie sich nicht darüber lustig machen – er ist damit beschäftigt, von seinem Thron, pardon, Fensterbänkchen, zu springen und ihm zu folgen.

Der Hund stürzt sich auf sein riesiges Hundekissen, das dabei bis zur Wand rutscht, der Kater hastet in sein Katzenkörbchen. Die Suche nach einem bequemen Platz dauert diesmal besonders lange, dann streckt er seinen Kopf durch die Öffnung nach draußen und sieht hinüber zu Bert.

Normalerweise darf Bert ja nicht so nahe bei ihm sitzen. Sie haben eine ganz klare Trennlinie, die quer durchs Wohnzimmer vom Bücherregal zur Türe verläuft, und Bert darf sie nur überqueren, um durchs Wohnzimmer zu laufen. Heute ist die Grenze egal, Bert durfte schon vorher sein Kissen neben Ernies Katzenkörbchen ziehen.

Ungewöhnliche Ereignisse erfordern ungewöhnliche Maßnahmen.

Bert zittert am ganzen Leib, er versucht, sein Gesicht ins Kissen zu pressen. Und draußen auf dem Gang hören sie die Kinder, die schreien, kreischen und lachen.

„Bert?“

Ein kurzes Fiepsen und ein zuckendes Ohr zeigen Ernie, dass Bert ihn gehört hat.

„Wir packen das, okay?“

Wieder ein Fiepsen. Ernie meint, dass es zumindest ein bisschen hoffnungsvoller klang. Er will ihm gerade noch etwas Beruhigendes sagen, „Feiner Junge“ oder so etwas, doch dann öffnet sich die Wohnzimmertüre und er erstarrt.

Sie haben sie gefunden.

So schnell schon? Das ist doch unfair. Er war gerade noch damit beschäftigt, sich zu denken, dass er dieses Halloweenfest überstehen könnte, ohne von einem lauten Kind mit klebrigen Fingern aus seinem Körbchen gezogen zu werden und danach von der ganzen Horde verkleidet zu werden.

Und Bert geht es genauso, abgesehen davon, dass er auf seinem Kissen weniger versteckt ist und sich dementsprechend immer ein kreischendes Kinderrudel auf ihn wirft.

Aber dann sieht er etwas, was ihn auf einen Schlag wieder beruhigt.

Er kennt die Beine – sie gehören zur Kleinen. Bei ihr kann er es auch wagen, den Blick weiter nach oben wandern zu lassen, schließlich trägt sie keine grauenvolle Maske. Ernie tut es und stellt zu seiner Erleichterung fest, dass es wirklich das jüngste Mitglied der Familie ist.

Ein rosa Tüllrock, ein glitzerndes Oberteil und eine Krone sind ganz eindeutig der Kleinen zuzuordnen, die auch an Halloween nicht auf ihr Lieblingskostüm verzichten will. Sie sieht sich kurz um, dann tapst sie zu ihnen und geht vor Katzenkörbchen und Kissen in die Hocke.

Ernie spürt eine Welle der Zuneigung durch sich schwappen und das hat nur am Rande mit dem Teller in ihrer Hand zu tun – die Kleine ist sogar jünger als Bert und er und er hat sie, als sie hier ankam, unglaublich winzig und brüllend, sofort ins Herz geschlossen.

Den Teller stellt sie vor ihnen ab, dann versucht sie, Ernie und Bert gleichzeitig zu streicheln, mit je einer Hand. Ernie ignoriert großzügigerweise, dass sie dabei sein Auge tätschelt.

„Aber nicht der Mama sagen!“

Mit diesen Worten rappelt sie sich wieder auf und tappt aus dem Raum. Ernie sieht ihr lächelnd hinterher, während Bert schon den ersten Keks einatmet – so schnell, wie er ihn isst, kann man das gar nicht mehr als ‚essen‘ bezeichnen.

Nein, er wird die Kleine nicht verraten. Er hat sie ja nicht einmal verraten, als sie Bert die Beinhaare gekürzt hat. Okay, schlechtes Beispiel, er fand es unglaublich lustig, wie peinlich berührt Bert davon war.

Aber er hat sie auch nicht verraten, als sie ihm ein Schnurrhaar ausgerissen hat und das bedeutet echt viel.

Von der Seite kommt ein zufriedenes Schmatzen, die Kinder sind offensichtlich vorerst egal.

„Lecker. Kürbis.“

Auch Ernie nimmt sich einen Keks. Und tatsächlich hilft es auch ihm, die Kinder zu vergessen. Die Kekse ihres Frauchens sind unglaublich lecker und das gilt auch für die Kürbiskekse.

„Schisser.“

Leider hört Bert ihn nicht mehr. Er ist mit dem nächsten Keks beschäftigt.

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Stille über der Lichtung

Das Flüstern im Schatten liegt über dem Wald wie ein unhörbares Geheimnis. Es zieht durch die Zweige und verbirgt sich zwischen Licht und Dunkelheit, doch seine Botschaft bleibt verborgen – bis jemand bereit ist, genau hinzuhören. Was sich hinter dem leisen Wispern verbirgt, bleibt ein Rätsel, das nur Mutige zu lösen wagen.

Sonnenlicht flutet in die Höhle. Ein Großteil des Schlafraumes liegt noch im Dunkeln, aber auf dem Boden ist ein großer Lichtkreis mit exakt der gleichen Form wie das Eingangsloch.

Sam liegt im Schatten. Von hier aus kann er träge ins Sonnenlicht blinzeln, kann versuchen, dort draußen etwas zu erkennen, ohne von den Sonnenstrahlen an der Nase gekitzelt zu werden. Die Vögel zwitschern, er atmet tief durch und die frische Morgenluft füllt seine Lungen. Schön.

„Sammy!“

Also, es wäre schön. Es wäre schön, wenn er von allein aufgewacht wäre, jetzt allein wäre und allein aufstehen könnte. Aber er ist nicht allein – er ist selten allein und die laute Stimme teilt ihm mit, dass er auch jetzt nicht allein ist.

„Sammy! Saaaammy!“

Sam rümpft seine Nase. Kurz überlegt er, sich einfach umzudrehen und sich die Ohren zuzuhalten, doch dann merkt er, dass die Stimme näherkommt. Er hat keine Chance mehr.

„Sammy!“

Entnervt rappelt er sich auf und sieht hinüber zum Eingangsloch. Dort sieht man inzwischen nicht mehr nur die Aussicht in den Wald. Nun verdeckt ein braunes Köpfchen die Sicht hinaus. Jacky. Seine nervigste Schwester.

Sie heißt eigentlich Jacqueline, hat aber absolut kein Problem damit, Jacky genannt zu werden. Und das projiziert sie auf ihren größeren Bruder. Dass Samuel allerhöchstens Sam genannt werden will und auf keinen Fall Sammy, ist ihr egal.

„Was ist?“

„Schnell, schnell! Du musst kommen! Alle sind unterwegs!“

Frustriert lässt Sam sich wieder auf den Rücken sinken. Alle sind unterwegs… hätte er das gewusst, hätte er Jacky gleich mit dem nächsten greifbaren Gegenstand abgeworfen und sich dann wieder hingelegt, um weiterzuschlafen.

Es bedeutet nichts Gutes, wenn alle unterwegs sind. Im harmlosesten Fall bedeutet das, dass der Ort, zu dem alle laufen, absolut überfüllt ist. Und wenn sie diesmal recht haben, kommt dazu das Ungeheuerliche, wegen dem alle aufgebrochen sind.

„Sammy!“

Andererseits… Nichts kann schlimmer sein als weiterhin von Jacky terrorisiert zu werden. Sam schält sich also aus seinem Bettchen und folgt seiner Schwester durch das Eingangsloch.

Es ist tatsächlich schon einiges los. Auf den Bäumen um sie herum tummeln sich lauter weitere kleine Tierchen, alle strömen in eine Richtung – Richtung Lichtung.

Nach einem kurzen Blick nach hinten, so als wolle sie sichergehen, dass ihr Bruder noch da ist und sich nicht wieder hingelegt hat, springt Jacky los. Sie hüpft auf einen höhergelegenen Ast und rennt von dort aus ebenfalls Richtung Waldrand. Sam seufzt schwer, er folgt ihr trotzdem. Wenn er schon wach und auf den Beinen ist, kann er sich das Drama ja mal ansehen.

Die Bäume am Waldrand sind komplett besetzt. Auf den Ästen tummeln sich lauter kleine Tierchen, über den Baumwipfeln kreisen Vögel, unten an den Stämmen lungern sogar ein paar größere Tiere herum, unter anderem zwei sonst eher scheue Rehe.

Sam folgt stur seiner Schwester, die drängelt sich nach vorne durch. Immerhin nicht, um sich dann direkt vor sie zu stellen – dort vorne steht auch der Rest ihrer Familie. Und von diesem Platz aus hat man einen ziemlich guten Blick auf das Geschehen.

Auf der Wiese stehen mehrere Fahrzeuge. Keine normalen Autos – sie sind orange und groß und breit und sehen echt gefährlich aus. Davor hat sich eine Gruppe Menschen versammelt, mehrere davon haben eine Axt in der Hand.

Plötzlich steht wieder Jacky neben ihm. Ihre Pfote krallt sich in seinen Oberarm, sie kreischt ihm ins Ohr. Und ausnahmsweise ist das Kreischen nicht das, was ihn daran am meisten stört.

„Sie wollen den letzten Nussbaum fällen!“

Der letzte Nussbaum… Das ist eine Katastrophe. Nussbäume sind ihre Lebensgrundlagen. Die ganze Waldgemeinschaft bekommt am Nussbaum und um den Nussbaum herum ihre Nahrung und für einige Tierarten – unter anderem für sie Eichhörnchen – sind Nussbäume heilig.

Aber je mehr sich die Menschen ausbreiten, desto mehr dieser wichtigen Bäume werden gefällt. Und nun soll es auch dem letzten Baum an den Kragen gehen.

Die Menschen fackeln nicht lange herum. Kaum haben sie ihre Lagebesprechung beendet, schultern sie ihre Äxte und marschieren hinüber zum Nussbaum. Dann…

Unzählige Tiere schreien auf, Jacky verbirgt ihr Gesicht an Sams Schulter und schluchzt. Kurze Zeit später liegt der Baum am Boden.

„Und jetzt?“

Überall auf den umliegenden Bäumen formen sich Grüppchen, es hängt ein Brummen in der Luft von all den Gesprächen. Auch Sams Familie schließt sich zusammen und es ist Sams jüngste Schwester, die die alles entscheidende Frage gestellt hat.

Ihr Vater schließt die Augen, seine Miene ist verzweifelt.

„Ich weiß es nicht. Wo sollen wir jetzt etwas zu essen holen? Der nächste Wald ist so weit weg und ich weiß nicht, wie es heute dort aussieht – ob sie dort nicht auch alle Nussbäume gefällt haben.“

Kurz ist allgemeines Schweigen angesagt – zumindest in ihrer Gruppe.

Sam nimmt neben sich eine hysterische Elster wahr. „Wofür wollen die denn den Baum?“ Gut, als Elster wäre er nicht hysterisch, die Vögel haben ja noch genug anderes Futter. Aber das, was sie gesagt hat… Warum tun die Menschen das? Was machen sie mit den Nüssen? Mögen die Menschen überhaupt Nüsse?

Dann hat er einen Geistesblitz. Warum überprüft er das nicht einfach?

Die Männer holen nun die Werkzeuge herbei. Sie beseitigen den Dreck, den sie gemacht haben, schaffen dabei den Baum in eines der Fahrzeuge. Auch die Nüsse folgen. Und Sams Plan wird konkreter.

Auf der anderen Seite des Waldes ist eine Menschensiedlung. Dorthin werden die Menschen fahren. Von dort kann man die Nüsse zurückholen. Damit sie wenigstens ein bisschen Wintervorrat haben.

Für die nächsten Jahre müssen sie neue Bäume ansäen, das steht fest, aber dieses Jahr sollten sie die zurückgeholten Nüsse über den Winter bringen.

Als erster der Tiere wendet Sam dem Geschehen den Rücken zu, er will sich auf den Weg machen. Doch Jacky bemerkt ihn.

„Wohin willst du?“

„Uns retten. Wenn es sonst keiner tut.“

Mit diesen Worten lässt er sie stehen. Er rennt einfach los, verschwindet von dem Ort, an dem gerade eben ihr letzter Nussbaum gefällt wurde. Was bringt es schon, noch weiter zuzusehen?

Nein, für seinen Plan ist es wichtig, dass er so schnell wie möglich verschwindet.

Er muss bei der Menschensiedlung sein, bevor die Menschen zurückkommen. Dann kann er sich dort verstecken und in der Nacht, wenn die Menschen schlafen, mit den Nüssen verschwinden.

Ist ein ganz einfacher Plan, so haben seine Geschwister und er immer die Nachbarskinder überfallen – und andersherum.

Sam rennt durch den Wald, von Ast zu Ast. Es fühlt sich gut an, auch wenn die Strecke echt weit ist – der Gedanke daran, etwas Gutes zu tun, gibt ihm Kraft. Dass sämtliche Waldbewohner noch beim Nussbaum sind, kommt ihm sehr entgegen. So muss er nicht auf Gegenverkehr oder eventuelle Bedrohungen achten.

Als ihm allmählich die Puste ausgeht, erblickt er endlich das Ende des Waldes. Von Sprung zu Sprung wird es heller und dann kommt er an einem Ast an, von dem aus er die Häusersiedlung sieht.

Angekommen. Jetzt wird es erst richtig schwierig.

Als erstes lässt Sam seinen Blick über die Straße und die dort geparkten Autos schweifen. Sind alles ganz normale Autos, keine orangenen Fahrzeuge mit einem gefällten Baum hinten drauf. Er ist rechtzeitig gekommen, die Menschen sind noch nicht da.

Nun muss er sich in eine ihrer Unterkünfte schleichen, sich dort verstecken und ihre Rückkehr abwarten.

Okay, die Luft ist rein. Welchen Weg nimmt er?

Sam nimmt die Gärten vor den Häusern unter die Lupe. Die meisten von ihnen sind nur spärlich bewachsen – Wiesen mit allerlei unnötigem Menschenkram darauf. Aber in manchen gibt es Büsche und die Gärten, die ihm am nächsten sind, haben sogar Bäume.

Wenn er dort hineinklettert und dann auf die Wiese springt… Gedacht, getan.

Sam wandert im Schutz der Bäume des Waldes weiter, bis er auf einen Ast des Gartenbaums springen kann. Durch das Geäst huscht er auf die andere Seite des Baumes, dann –

Er hält sich gerade noch rechtzeitig davon ab, auf den Rasen zu springen. Denn dort ist etwas, mit dem er nicht gerechnet hat.

Menschen.

Was machen sie hier? Sollten sie nicht beim Nussbaum sein?

Wie von allein setzt Sam sich in Bewegung, er klettert auf einen anderen Ast, von wo aus er in die nächsten Gärten blicken kann. Auch dort sieht er Menschen, genauso wie hinter ein paar der Fenster.

Er ist nicht allein.

Das hier sind nicht die Unterkunft der Baumfäller. Es muss noch weitere Menschenstämme geben und er ist beim falschen gelandet.

Entmutigt lässt Sam sich auf den dicksten Ast sinken. Verdammt, er hat gedacht, er kann sein Volk retten, kann ihnen etwas zu essen besorgen… Aber er ist eben doch nur ein dummes, naives Eichhörnchen.

Nur noch ein bisschen verschnaufen, dann muss er sich auf den Rückweg machen.

Hoffentlich hat niemand außer seiner Schwester seinen Abgang mitbekommen – und hoffentlich hat seine Schwester vergessen, was sie gesagt hat. Ist ziemlich unwahrscheinlich, sie vergisst zwar viel, aber nie das, was sie eigentlich nicht wissen soll.

Wieder wandert Sams Blick zu den Menschen, die nur wenige Meter von ihm entfernt auf der Wiese sitzen. Und dann kehrt auf einen Schlag seine Hoffnung zurück.

Auf dem Tisch zwischen den beiden stehen Behälter voller Nüsse.

In Sams Kopf formt sich ein wahnwitziger Plan – ein noch wahnwitzigerer Plan als der zuvor. Er will Nüsse, dort sind Nüsse, also muss er zu den Menschen.

Zu den Menschen…

Von klein auf hat man ihm beigebracht, möglichst viel Abstand zu den Menschen zu halten. Das, was er nun vorhat, ist das absolute Gegenteil davon.

Aber er muss es tun, er will ja schließlich seine Familie retten. Und so sehr unterscheidet sich der Plan auch nicht von seinem Vorgänger. Er wartet einfach ab, bis die Menschen verschwinden. Die können ja nicht für immer hier liegen bleiben. Und sobald sie ihre Rücken den Nüssen zuwenden, ist seine Zeit gekommen.

Es gelingt tatsächlich.

Als es dämmert, macht Sam sich auf den Heimweg. Er braucht wesentlich länger, weil der das komische Gestell, in das die Menschen ihre Nüsse gelegt haben, mit sich zerrt, aber dafür steht seine ganze Familie Kopf, als er mit dem neuen Vorrat zuhause auftaucht.

So beginnt Sams Zeit als Nuss Dieb.

Immer wieder wandert er hinüber zur Menschensiedlung und legt sich dort auf die Lauer, bis er freie Bahn hat. Manchmal findet er gar nichts, manchmal muss er statt Nüssen Brot oder etwas ähnliches mitnehmen, doch im Großen und Ganzen läuft es echt gut.

In ihren Höhlen sammelt sich ein Vorrat an, Sam bringt mehr mit, als sie essen können.

Und dann kommt der Tag, an dem er etwas zu unvorsichtig ist.

Der Tag, an dem er sich in eine leere Küche geschlichen hat und dort gerade die Schränke nach Nüssen durchsucht, als hinter ihm die Türe aufgeht.

Sam ist inzwischen den Anblick von Menschen gewöhnt. Er sieht sie fast täglich, viel öfter als früher – allerdings nie aus der Nähe.

So nah wie jetzt war ihm ein Mensch noch nie und er könnte auch echt gut darauf verzichten, denn dieser Mensch sieht wahrhaftig nicht freundlich aus.

Sams Blick huscht zum gekippten Fenster, durch das er in die Küche geklettert ist. Doch als hätte er seinen Blick bemerkt, tritt der Mensch in seine Fluchtbahn. Nun müsste er, um zum Fenster gelangen, über die Arbeitsfläche huschen und dort ist er dem Menschen ausgeliefert.

Sam zittert, er drückt sich zwischen die Kartons. Aber es ist zu spät, der Mensch hat ihn schon längst gesehen. Und er hat ihn im Visier. Er freut sich nicht über den tierischen Besuch, er will ihn loswerden.

Verdammt, er war doch immer so vorsichtig…

Noch einmal geht Sam seine verbleibenden Möglichkeiten durch. Verstecken? Und dann? Irgendwann muss er hier raus und der Mensch sieht nicht danach aus, als würde er einfach verschwinden, wenn Sam eine Weile lang nichts tut.

Springen? Geht nicht, der Mensch ist im Weg.

Rennen? Er ist nicht schnell genug, die Küche ist zu klein. Der Mensch würde ihn erwischen.

Weiterdenken kann er nicht. Der Mensch macht einen Schritt nach vorne, seine riesige Hand bewegt sich auf Sam zu und Sam schafft es gerade noch, auszuweichen.

Es geht los – der Mensch will ihn fangen. Fangen und umbringen und niemals entkommen lassen und –

Er muss sich wehren. Er muss –

Wieder rauscht die Hand auf ihn zu und dann reagiert Sam intuitiv. Statt auszuweichen, springt er nach vorne, springt auf die Hand und vergräbt seine Zähne im Fleisch.

Der Mensch stolpert zurück, er zieht damit Sam, der immer noch an seiner Hand hängt, aus dem Regal.

Nicht gut, nicht gut, nicht gut. Jetzt ist er dem Menschen noch näher.

Als die zweite Hand auf ihn zufliegt, springt er wieder. Diesmal nach oben, auf die Brust des Menschen. Von dort aus klettert er auf seine Schulter, will zum Fenster springen.

Doch so weit kommt er nicht – die Hand kommt erneut. Diesmal kann er nur ausweichen, weil er sich gegen den Hals des Menschen drückt.

So kommt er hier nicht weg. Er muss…

Sam gerät in einen Rausch. Ein Rausch, hervorgerufen durch Angst, Adrenalin, Verblüfftheit, weil er einen Menschen, der so viel größer ist als er, tyrannisiert – weil er immer noch lebt.

Das erste, das Sam sieht, als er wieder klar denken kann, ist der Blick zurück in die Küche, bevor er sich in den Wald rettet. Der Blick auf einen reglos am Boden liegenden Menschenkörper und Blut, Blut, Blut, vor allem auf seinem Gesicht.

Ab diesem Tag traut Sam sich auch dann in Häuser, wenn die Bewohner zuhause sind.

Ein paar Wochen später – es wird langsam kalt im Wald, der Winter steht vor der Türe – wird Sam von seinem Vater beiseite genommen, als er sich gerade auf den Weg zu seiner Menschensiedlung machen will.

Das alte Eichhörnchen klettert mit ihm zu einem Baum, auf dem sie sich ungehört unterhalten können. Dort lässt er sich nieder und sieht seinen Sohn ernst an.

„Es gibt schlimme Geschichten aus dem nächsten Wohngebiet der Menschen. Die Tiere erzählen sich, dass dort Panik herrscht. Immer wieder werden Menschen in ihren Häusern tot und mit zerkratzten Gesichtern aufgefunden.“

Sam setzt sich neben ihn, er lässt seine Beine baumeln. Zerkratzte Gesichter… Schuldig. Tot? Das kann er nicht sagen. Sobald er die Menschen außer Gefecht gesetzt hat, sind sie für ihn nicht mehr interessant. Da geht es dann nur noch darum, ihren Nussvorrat zu plündern und damit zu verschwinden.

Sein Vater macht sich Sorgen, das sieht er ihm an. Kein Wunder, schließlich wandert sein Sohn fast täglich zu dieser gefährlichen Menschensiedlung…

„Ich bin nicht in Gefahr, Papa. Ich bin ja kein Mensch.“

Die erwartete Erleichterung bleibt aus, sein Vater sieht ihn weiterhin ernst an. „Hast du etwas damit zu tun?“

Sam schluckt. Sein Vater kennt ihn besser als gedacht…

„Ein Eichhörnchen gegen Menschen? Ich klaue doch nur ihre Nüsse.“

Wirklich überzeugt wirkt Sams Vater nicht. Aber er kann nichts tun, er kann seinen Sohn nicht davon abhalten, seine Raubzüge in der Menschensiedlung fortzusetzen und das ist ihm auch klar.

Und so geht das Morden in der Siedlung am Waldrand weiter…

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Ciorbă Rădăuțeană

Rumäniens samtige Hühnersuppe mit Geschichte

Die rumänische Küche liebt Suppen – und das merkt man. Herzhaft, aromatisch und oft mit einem angenehm säuerlichen Twist sind die berühmten „Ciorbăs“ aus der rumänischen Alltagsküche nicht wegzudenken. Eine Suppe jedoch sticht besonders heraus: Ciorbă Rădăuțeană – die samtige Hühnersuppe mit Geschichte, Geschmack und großem Wohlfühlfaktor.

 

Von der Kuttel zur Kuschelsuppe

Die Ciorbă Rădăuțeană stammt – wie der Name schon vermuten lässt – aus der Stadt Rădăuți im Nordosten Rumäniens. In den 1970er Jahren kreierte die talentierte Köchin Cornelia Dumitrescu dieses Rezept als Alternative zur beliebten, aber nicht unumstrittenen „Ciorbă de burtă“ – einer Suppe mit Kutteln (also Kuhmagen). Nicht alle Gäste waren davon begeistert.

Ihre Idee: Der köstliche Geschmack, aber bitte ohne Innereien. So ersetzte sie die Kutteln kurzerhand durch zartes Hühnerfleisch, behielt aber die cremige, säuerliche Basis und die klassische Würzung mit Knoblauch und Essig. Das Ergebnis? Ein Publikumsliebling, der sich rasant in der ganzen Region – und später im ganzen Land – verbreitete.

 

Was macht sie so besonders

Die Suppe vereint scheinbare Gegensätze: Sie ist mild, aber würzig. Cremig, aber frisch. Und während sie ein klassisches Wohlfühlgericht ist, bringt sie auch eine gewisse Raffinesse mit – durch ihre feine Balance aus Joghurt oder saurer Sahne, Ei, Gemüse und Essig. Wer sie einmal probiert hat, wird verstehen, warum diese Suppe in Rumänien Kultstatus hat.

 

Zutaten

  • 1 ganzes Suppenhuhn oder 1 kg Hähnchenschenkel

  • 2 Karotten

  • 1 Pastinake

  • 1 Petersilienwurzel

  • 1 Stück Sellerie (ca. 100 g)

  • 1 Zwiebel

  • 4–5 Knoblauchzehen

  • 2 Eigelb

  • 200 g Schmand oder Crème fraîche

  • 2–3 EL Essig (nach Geschmack)

  • Salz, Pfeffer, Lorbeerblatt

  • Optional: etwas Liebstöckel oder Petersilie zum Garnieren

Zubereitung

  1. Fleisch kochen:
    Hähnchenfleisch mit der geschälten Zwiebel, etwas Salz und einem Lorbeerblatt in ca. 2,5 Liter Wasser langsam zum Kochen bringen. Den entstehenden Schaum regelmäßig abschöpfen.

  2. Gemüse hinzufügen:
    Nach ca. 30 Minuten die in grobe Stücke geschnittenen Karotten, Pastinake, Petersilienwurzel und Sellerie hinzufügen. Alles zusammen köcheln lassen, bis Fleisch und Gemüse gar sind.

  3. Fleisch zerkleinern:
    Das Fleisch herausnehmen, von Knochen und Haut befreien und in mundgerechte Stücke schneiden. Die Zwiebel und ggf. zu weiche Gemüsewürfel können entfernt oder püriert werden (nach Belieben).

  4. Suppe abschmecken:
    Die Brühe mit Salz, Pfeffer und 2–3 EL Essig würzen (nach Geschmack mehr oder weniger sauer).

  5. Knoblauch und Bindung:
    Den Knoblauch fein reiben oder pressen und zur Suppe geben. In einer Schüssel die Eigelbe mit dem Schmand gut verrühren. Etwas heiße Suppe löffelweise zugeben, um die Mischung zu temperieren. Dann vorsichtig unter ständigem Rühren in die nicht mehr kochende Suppe einrühren, damit nichts gerinnt.

  6. Finalisieren:
    Das zerkleinerte Fleisch zurück in die Suppe geben. Noch einmal kurz erhitzen (nicht kochen!) und nach Geschmack mit frischer Petersilie oder Liebstöckel garnieren.

Serviervorschlag

Traditionell wird Ciorbă Rădăuțeană mit frischem Weißbrot oder mămăligă (Maisbrei) serviert. Ein Klecks saure Sahne oder ein zusätzlicher Spritzer Essig im Teller sind bei vielen Rumänen ein Muss.

 

Unser Fazit

Ciorbă Rădăuțeană ist der beste Beweis, dass Hausmannskost und Raffinesse wunderbar zusammenpassen. Die cremig-säuerliche Suppe hat sich längst als Klassiker der rumänischen Küche etabliert – geliebt von Jung und Alt, und ideal für alle, denen die Kuttelsuppe zu mutig, aber der Geschmack zu gut ist, um ihn zu verpassen.

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Lavendelessig

Feine Würze aus der Provence: Lavendelessig – Duft trifft Geschmack

Lavendel – das Symbol der Provence, der Duft von Sommer, Sonne und mediterraner Leichtigkeit. Doch Lavendel ist nicht nur schön anzusehen oder Bestandteil duftender Seifen, sondern auch in der Küche ein spannender Begleiter. Lavendelessig ist eine raffinierte Art, den blumigen Geschmack der Pflanze kulinarisch zu nutzen – und bringt eine elegante Note in Salate, Saucen oder Desserts.

Ein Hauch Provence in der Flasche

Der Einsatz von Lavendel in Speisen reicht zurück bis in die Antike. Schon die Römer verwendeten Lavendelblüten zur Aromatisierung von Ölen und Essig – sowohl aus medizinischen als auch aus geschmacklichen Gründen. In der französischen Küche, insbesondere in der Provence, ist Lavendel seit Jahrhunderten fester Bestandteil der „Herbes de Provence“, einer Kräutermischung für Fleisch, Fisch und Gemüse.

Lavendelessig ist heute ein beliebtes DIY-Produkt in der feinen Küche. Er verbindet den angenehm herben Geschmack von Essig mit dem blumig-würzigen Aroma der Lavendelblüte – ideal für alle, die es aromatisch und außergewöhnlich mögen.

 

Zutaten für 500 ml:

  • 500 ml heller Weinessig oder Apfelessig (biologisch, nicht aromatisiert)

  • 2–3 EL getrocknete Lavendelblüten (aus dem Garten oder in Bioqualität)

  • 1 verschließbare Glasflasche oder ein Einmachglas

  • Optional: 1–2 Zweige frischer Lavendel zur Dekoration

So wird’s gemacht:

  1. Vorbereitung:
    Die Lavendelblüten in ein sauberes, sterilisiertes Einmachglas geben.

  2. Essig aufgießen:
    Den Essig darüber gießen, bis die Blüten vollständig bedeckt sind.

  3. Ziehen lassen:
    Das Glas gut verschließen und an einem kühlen, dunklen Ort etwa 2 bis 3 Wochen ziehen lassen. Zwischendurch leicht schütteln.

  4. Abseihen:
    Den Essig durch ein feines Sieb oder Tuch filtern, um die Blüten zu entfernen.

  5. Abfüllen:
    Den Lavendelessig in eine hübsche, saubere Flasche füllen. Wer mag, gibt einen dekorativen Lavendelzweig mit in die Flasche.

Verwendungsideen:

  • Salatdressings: Besonders lecker zu Ziegenkäse, Birne oder Rucola.

  • Marinaden: Für Fisch, Huhn oder gebackenes Gemüse.

  • Verfeinerung: Ein Spritzer Lavendelessig in Limonade, über Beeren oder in Erdbeersalat bringt überraschende Frische.

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Krautsuppe Im Brotlaib

Herzhafter Klassiker: Krautsuppe im Brotlaib – Deftig, rustikal und wunderbar sättigend

Die osteuropäische Küche ist für ihre rustikalen, wärmenden Speisen bekannt – und die Krautsuppe im Brotlaib ist eines der besten Beispiele dafür. Ursprünglich aus Regionen wie Polen, Tschechien oder der Slowakei stammend, hat sie sich über die Jahre zu einem echten Wohlfühlgericht entwickelt, das nicht nur den Bauch, sondern auch die Seele wärmt.

Ein Stück Geschichte im Laib

Krautsuppe – oft als Sauerkrautsuppe zubereitet – war lange ein günstiges und nahrhaftes Gericht der bäuerlichen Küche. Kohl war eines der wenigen Gemüse, das gut lagerbar war und im Winter für Vitaminversorgung sorgte. Kombiniert mit Kartoffeln, Fleisch oder Speck, entstand daraus eine kräftige Suppe.

Der Clou mit dem Brotlaib kommt vermutlich aus der traditionellen Brotkultur Mitteleuropas. In Polen ist „żurek w chlebie“ (Sauermehlsuppe im Brotlaib) sehr beliebt – und so fand auch die Idee, Krautsuppe in einem ausgehöhlten Brotlaib zu servieren, großen Anklang. Es sieht nicht nur eindrucksvoll aus, sondern macht das Gericht noch herzhafter – das Brot saugt die würzige Suppe auf und wird so selbst zur Delikatesse.

Zutaten für die Suppe:

  • 500 g Sauerkraut

  • 2 Zwiebeln

  • 2 Knoblauchzehen

  • 2 Möhren

  • 3 Kartoffeln

  • 150 g durchwachsener Speck oder geräucherte Wurst (z. B. Krakauer oder Debrecziner)

  • 1 EL Tomatenmark

  • 1 TL Paprikapulver (edelsüß)

  • 1 TL Kümmel

  • 1 Lorbeerblatt

  • ca. 1,5 Liter Gemüse- oder Fleischbrühe

  • Salz & Pfeffer

  • Öl zum Anbraten

Für den Brotlaib:

  • 4 kleine runde Roggen- oder Sauerteig-Brotlaibe (z. B. Bauernbrot oder rustikales Landbrot)

Zubereitung:

  1. Gemüse vorbereiten:
    Zwiebeln, Knoblauch, Möhren und Kartoffeln schälen und klein schneiden.

  2. Anbraten:
    Speck oder Wurst in Würfel schneiden und in einem großen Topf in etwas Öl anbraten. Zwiebeln und Knoblauch hinzufügen, dann Möhren, Tomatenmark und Gewürze mit anschwitzen.

  3. Suppe kochen:
    Kartoffeln, Sauerkraut, Lorbeerblatt und Brühe dazugeben. Alles etwa 30–40 Minuten leicht köcheln lassen, bis das Gemüse weich ist. Bei Bedarf nachwürzen.

  4. Brot vorbereiten:
    Während die Suppe köchelt, die Brotlaibe aushöhlen. Dazu einen Deckel abschneiden, das weiche Innere vorsichtig herauslösen (nicht wegwerfen – z. B. für Croutons verwenden). Die Laibe bei 160 °C Umluft für etwa 10 Minuten im Ofen aufknuspern – so bleiben sie länger stabil.

  5. Anrichten:
    Die heiße Suppe in die knusprigen Brotlaibe füllen und mit dem „Brotdeckel“ servieren. Wer mag, garniert mit frischer Petersilie oder einem Klecks saurer Sahne.

Serviertipp:

Dazu passt ein kaltes Bier oder ein Glas kräftiger Landwein. Auch eingelegte Gurken oder Senf können als Beilage gereicht werden.

Fazit:

Die Krautsuppe im Brotlaib ist nicht nur ein wärmender Klassiker, sondern auch ein echter Hingucker auf dem Tisch. Ob bei einem gemütlichen Abend mit Freunden oder als besonderes Gericht in der kalten Jahreszeit – dieses rustikale Rezept ist ein Stück Osteuropa zum Genießen.

Wenn du magst, kann ich dir auch eine vegetarische Version oder ein Rezept mit frischem Weißkohl statt Sauerkraut zusammenstellen.

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Kepta Duona

Knuspriger Genuss aus Litauen: Kepta Duona – Geröstetes Schwarzbrot mit Knoblauch

Litauen ist bekannt für seine bodenständige, herzhafte Küche – und Kepta Duona ist eines der kultigsten Snacks des Landes. Übersetzt bedeutet der Name schlicht „gebratenes Brot“, doch das Gericht ist weit mehr als das: Es ist ein beliebter Pub-Snack, ein einfaches Comfort Food – und ein Stück baltischer Lebensart.

Die Geschichte hinter Kepta Duona

Kepta Duona stammt aus einer Zeit, als in Litauen nichts verschwendet wurde – schon gar nicht Brot. Besonders das typisch litauische Roggenbrot, dunkel, kräftig und lange haltbar, war ein Grundnahrungsmittel. Wenn es hart wurde, fand es dennoch eine neue Verwendung – nämlich als krosser Snack mit Knoblauch und Käse.

Mit der Zeit wurde das Gericht populär – nicht nur zu Hause, sondern auch in Bars und Kneipen im ganzen Land. Heute ist Kepta Duona ein Kult-Snack, der besonders gut zu Bier passt und oft mit geschmolzenem Käse oder Dip serviert wird.

 

Zutaten:

  • 200–300 g dunkles Roggenbrot (am besten etwas älter)

  • 2–3 Knoblauchzehen

  • Öl zum Braten (z. B. Sonnenblumenöl)

  • Salz

  • Optional: geriebener Käse (Gouda oder Edamer), saure Sahne oder Dip

Zubereitung:

  1. Brot vorbereiten:
    Das Roggenbrot in etwa fingerbreite Streifen schneiden. Die Rinde kann dranbleiben – sie wird besonders knusprig.

  2. Braten:
    In einer Pfanne oder Fritteuse das Öl erhitzen. Die Brotscheiben portionsweise darin goldbraun und knusprig braten. Anschließend auf Küchenpapier abtropfen lassen.

  3. Knoblauch hinzufügen:
    Die noch warmen Brotscheiben mit fein gehacktem oder gepresstem Knoblauch vermengen – oder alternativ mit Knoblauchöl beträufeln. Mit etwas Salz bestreuen.

  4. Servieren:
    Heiß servieren – optional mit geriebenem Käse bestreut oder mit einem Dip aus saurer Sahne und Kräutern. Auch eine Knoblauch-Mayonnaise passt hervorragend dazu.

Tipp:

Wer es originalgetreu mag, verwendet litauisches Schwarzbrot (Juoda duona) – das gibt dem Snack seinen unverwechselbaren Geschmack. Du bekommst es in osteuropäischen Läden oder kannst es auch selbst backen.

Fazit:

Kepta Duona ist der perfekte Snack für zwischendurch, zum Bier oder einfach als rustikale Vorspeise. Einfach in der Zubereitung, aber mit großem Geschmack – und ein wunderbares Beispiel dafür, wie aus einfachen Zutaten ein Kultgericht werden kann.

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Chkmeruli

Chkmeruli – Georgiens cremig-knoblauchige Hühnerliebe

Chkmeruli (auch Shkmeruli geschrieben) ist ein georgisches Traditionsgericht, das in seiner Einfachheit und Würze begeistert. Hähnchen, goldbraun gebraten und anschließend in einer sahnigen Knoblauchsoße geschmort – ein Festessen, das aus der Region Racha stammt und längst über Georgiens Grenzen hinaus Fans gefunden hat. Wer Knoblauch liebt, wird Chkmeruli verehren.

Die Geschichte von Chkmeruli

Seinen Namen verdankt das Gericht dem kleinen Dorf Chkmeri in der bergigen Region Racha im Westen Georgiens. Hier soll das Rezept entstanden sein, vermutlich im frühen 20. Jahrhundert – zunächst ganz schlicht: Hähnchen in Milch und viel Knoblauch gegart. Später wurde die Soße durch Sahne, Butter oder Crème fraîche verfeinert und zu dem köstlichen Gericht, das heute in fast jedem georgischen Restaurant serviert wird.

Chkmeruli wurde durch seine unkomplizierte Zubereitung und den unverwechselbaren Geschmack so beliebt, dass es es sogar in die internationale Fast-Food-Welt schaffte – in Japan etwa war es als „Georgian Chicken“ ein Verkaufsschlager bei KFC.

 

Zutaten:

  • 1 kleines Hähnchen (ca. 1–1,2 kg), alternativ 4 Hähnchenschenkel

  • 5–6 Knoblauchzehen (nach Geschmack mehr)

  • 250 ml Sahne oder Crème fraîche

  • 100 ml Milch oder Wasser

  • 2 EL Butter oder neutrales Öl

  • Salz, Pfeffer

  • Optional: etwas Dill oder Petersilie zum Garnieren

 

Zubereitung:

  1. Hähnchen vorbereiten:
    Das Hähnchen in zwei Hälften oder in grobe Stücke teilen. Mit Salz und Pfeffer würzen.

  2. Anbraten:
    In einer Pfanne oder einem gusseisernen Topf Butter oder Öl erhitzen und das Hähnchen rundum scharf anbraten, bis es goldbraun ist (innen muss es noch nicht durch sein). Dann das Fleisch herausnehmen und beiseitestellen.

  3. Knoblauchsoße zubereiten:
    Die Knoblauchzehen fein hacken oder durch eine Presse drücken. In der gleichen Pfanne im Bratfett kurz anschwitzen (nicht bräunen!). Mit Milch und Sahne ablöschen, leicht salzen und pfeffern.

  4. Hähnchen garen:
    Das Hähnchen zurück in die Pfanne legen, Deckel drauf und bei mittlerer Hitze etwa 20 Minuten schmoren lassen, bis das Fleisch durch und die Soße schön cremig ist.

  5. Servieren:
    Am besten wird Chkmeruli direkt aus der Pfanne serviert – dazu passt frisches Brot zum Eintunken in die Soße oder georgisches Fladenbrot (puri). Wer mag, streut frisch gehackte Kräuter darüber.

Fazit:

Chkmeruli ist ein Paradebeispiel für georgische Hausmannskost: einfach, ehrlich, intensiv im Geschmack. Die Kombination aus zartem Hähnchenfleisch und viel Knoblauch in cremiger Soße macht süchtig – und zeigt, wie viel Charakter in einem scheinbar schlichten Gericht stecken kann.

Ideal für einen gemütlichen Abend – und perfekt für Gäste, die nicht zimperlich mit Knoblauch sind.

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Chakhokhbili

Chakhokhbili – Georgiens duftender Eintopfklassiker

Chakhokhbili ist ein traditionelles georgisches Gericht, das mit seinem aromatischen Duft und würzigen Geschmack direkt in die Seele des Kaukasus entführt. Ursprünglich wurde es mit Fasan zubereitet – das Wort „khokhobi“ bedeutet im Georgischen „Fasan“. Heute ist Huhn die gängigste Zutat, doch der Name blieb erhalten. Der Eintopf vereint saftiges Fleisch mit Tomaten, frischen Kräutern und einer typisch georgischen Gewürzmischung, die dem Gericht seinen unverwechselbaren Charakter verleiht.

Die Geschichte von Chakhokhbili

Die Wurzeln von Chakhokhbili reichen weit zurück in die ländlichen Regionen Georgiens. Ursprünglich war es ein Gericht der Jäger – der Fasan, ein Wildvogel, war früher in Georgien weit verbreitet. Mit der Zeit wurde der Fasan durch Huhn ersetzt, was das Gericht für den Alltag zugänglicher machte. Chakhokhbili entwickelte sich so zu einem Klassiker der georgischen Hausmannskost – einfach, nahrhaft und voller Geschmack.

In vielen Familien wird es nach überlieferten Rezepten zubereitet, mit kleinen regionalen Unterschieden. Charakteristisch ist die Verwendung von frischen Tomaten, viel Koriander, etwas Knoblauch und je nach Vorliebe auch Ajika, einer würzigen Paprikapaste.

 

Zutaten:

  • 1 ganzes Hähnchen (ca. 1,5 kg), in Stücke geschnitten

  • 3–4 große Tomaten (alternativ: 400 g stückige Tomaten aus der Dose)

  • 2 Zwiebeln

  • 3 Knoblauchzehen

  • 1 Bund frischer Koriander (alternativ: Petersilie + Koriander gemischt)

  • 1 TL Paprikapulver (edelsüß)

  • 1 kleine Chilischote oder Ajika (optional)

  • Salz, Pfeffer

  • 2 EL Öl oder etwas Hühnerfett

Zubereitung:

  1. Hähnchenteile ohne Öl in einem Topf oder einer tiefen Pfanne bei mittlerer Hitze anbraten, bis sie leicht Farbe bekommen. Das Hähnchen lässt dabei etwas eigenes Fett.

  2. Die fein geschnittenen Zwiebeln hinzufügen und glasig dünsten.

  3. Die Tomaten grob würfeln und ebenfalls dazugeben (bei Dosentomaten direkt einrühren). Etwa 20 Minuten köcheln lassen, bis die Tomaten zerfallen.

  4. Knoblauch fein hacken und mit Paprika, Salz, Pfeffer und – wenn gewünscht – etwas Chili oder Ajika unterrühren.

  5. Zugedeckt auf kleiner Flamme weitere 30 Minuten sanft köcheln lassen, bis das Hähnchen zart ist.

  6. Kurz vor dem Servieren den gehackten frischen Koriander untermischen.

Serviervorschlag:
Chakhokhbili wird meist mit frischem Weißbrot, Reis oder Maisbrot (Mchadi) serviert – perfekt, um die würzige Sauce aufzutunken.

 

Fazit:
Chakhokhbili ist mehr als ein Hühnereintopf – es ist ein Stück georgische Tradition auf dem Teller. Es vereint die Einfachheit rustikaler Küche mit der Raffinesse aromatischer Kräuter und Gewürze. Wer einmal den Duft von frischem Koriander, geschmortem Huhn und reifen Tomaten in der Luft hatte, wird verstehen, warum dieses Gericht so geliebt wird.

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Cepelinai aus Litauen

 

Litauens Nationalgericht in Zeppelinform

Cepelinai (ausgesprochen: zeh-peh-LEE-nay) ist das wohl bekannteste Nationalgericht Litauens. Diese herzhaften Kartoffelklöße mit würziger Fleischfüllung sind nicht nur ein kulinarisches Schwergewicht, sondern auch ein echtes Symbol litauischer Hausmannskost. Ihr Name leitet sich von ihrer charakteristischen Form ab, die an die berühmten Zeppelin-Luftschiffe erinnert. So landet Litauen mit einem Hauch Nostalgie und viel Geschmack direkt auf dem Teller.

Die Geschichte von Cepelinai

Die Entstehung der Cepelinai geht ins 20. Jahrhundert zurück und ist stark von ähnlichen Gerichten aus dem deutschen und polnischen Raum inspiriert. Kartoffeln waren in Litauen lange Zeit das wichtigste Grundnahrungsmittel – vor allem in ländlichen Gegenden. Aus wenigen Zutaten entwickelte sich so über Generationen ein sättigendes Gericht, das einfach zuzubereiten ist, aber gleichzeitig viel Wärme und Gemütlichkeit vermittelt. Die Idee, Kartoffelteig mit einer herzhaften Fleischfüllung zu kombinieren und daraus große Klöße zu formen, war eine geniale Antwort auf die kulinarische Herausforderung, mit überschaubaren Mitteln ein sättigendes Gericht zu schaffen.

Heute sind Cepelinai tief verwurzelt in der litauischen Kultur und Küche. Fast jede Familie hat ihr eigenes Rezept, das oft von Generation zu Generation weitergegeben wird. Das Gericht wird vor allem zu besonderen Anlässen, Feiertagen oder einfach an gemütlichen Sonntagen serviert.

 

Zutaten (für ca. 8 Stück)

  • 1 kg mehligkochende Kartoffeln

  • 200 g Kartoffelstärke (oder Mehl)

  • 1 Ei, Salz

  • ca. 400 g gemischtes Hackfleisch 

  • 1 gewürfelte Zwiebel

  • nach Geschmack gepresster Knoblauch

  • Butter oder Speck zum Anbraten

  • 200 g saure Sahne oder Schmand

  • Petersilie oder Dill zum Garnieren

Zubereitung

  • Die Kartoffeln schälen, roh reiben und gut abtropfen lassen (Füllflüssigkeit auffangen!) – alternativ gekocht und ausgepresst vorbereiten, um überschüssige Feuchtigkeit zu entfernen .

  • Für den Teig geriebene Kartoffeln mit Ei, Stärke/Mehl und Salz vermengen.

  • Hackfleisch mit Zwiebel (Knoblauch), Salz, Pfeffer und ggf. Kräutern mischen.

  • Teig in Portionen teilen, flach drücken, Füllung in die Mitte geben und oval verschließen – wie ein kleiner Zeppelin.

  • In leicht gesalzenem Wasser bei schwacher Hitze ca. 15–20 Minuten ziehen lassen, bis sie an der Oberfläche schwimmen.

  • In der Zwischenzeit Speck in Butter knusprig auslassen, Zwiebel darin glasig braten – für eine klassische Sauce mit saurer Sahne vermischen.

 

Die perfekte Sauce

Während die Klöße garen, wird Speck in Butter knusprig ausgebraten, anschließend wird die Zwiebel darin glasig gedünstet. Diese Mischung ist die Basis für die klassische Sauce, die mit einem Klecks saurer Sahne oder Schmand vollendet wird. Diese Sauce verleiht den Cepelinai die typische, herzhafte Note.

 

Serviervorschlag 

Cepelinai werden traditionell mit der Speck-Zwiebel-Butter-Mischung und einem großzügigen Klecks saurer Sahne serviert. Frische Kräuter wie Petersilie oder Dill sorgen für Farbtupfer und frische Aromen. Dazu passen knackiger grüner Salat, dunkles Roggenbrot oder eingelegtes Gemüse – ein perfektes, rundes Menü, das den Geschmack Litauens auf den Teller bringt.

 

Varianten

Wer fleischlos genießen möchte, kann die Füllung durch Pilze oder Quark (wie den litauischen Tworog) ersetzen. Auch alternative Fleischsorten wie Geflügel, Lamm oder Wild sind möglich. Gewürze können je nach Geschmack angepasst werden – von Muskatnuss über Majoran bis hin zu frischem Dill ist alles erlaubt.

 

Unser Fazit

Cepelinai sind mehr als nur ein Gericht – sie sind ein Stück litauische Kultur und ein echtes Geschmackserlebnis. Die Zubereitung erfordert zwar etwas Übung, besonders beim Formen der Klöße, aber das Ergebnis belohnt mit einem rustikalen, herzhaften Mahl voller Authentizität. Ob als Sonntagsessen, für Gäste oder einfach, um ein Stück Litauen zuhause zu genießen – Cepelinai sind immer eine gute Wahl.

Wir wünschen viel Freude beim Nachkochen und natürlich: Skanaus! – Guten Appetit auf Litauisch.

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